Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek (D-Dl)
Die Musikabteilung hat einen historischen Bestand von ungefähr 30.500 Musica practica, darunter 19.000 Musikhandschriften, sowie 2.000 Musica theoretica und Libretti. Bislang ist nur ein Teil der Musikhandschriften in rism-online nachgewiesen, an der weiteren Erschließung wird ständig gearbeitet.
Die Anfänge einer „musikalischen Abtheilung“ begründete bereits 1816 Friedrich Adolf Ebert, der spätere Oberbibliothekar der Königlichen Öffentlichen Bibliothek, indem er aus diversen Fachgruppen einschlägige Objekte zusammenzog und in einem eigenen Katalog verzeichnete. Insbesondere handelte es sich um ältere Musica theoretica, um einen kleinen Notenbestand aus dem 16. und 17. Jh, der teils dem Musiziergut der 1548 gegründeten Hofkapelle, teils wettinischem Privatbesitz entstammte, und um die Musikalien aus den Bibliotheken der Grafen Bünau und Brühl. Durch Censur-Exemplare, Vermächtnisse und Ankäufe konnte die Sammlung in den folgenden Jahrzehnten beträchtlich vergrößert werden. So wurde 1863 die Notenbibliothek des verstorbenen Chordirektors der Hofoper und Wagner-Freundes Christian Wilhelm Fischer (1789-1858) erworben, die zahlreiche eigenhändige Abschriften seltener Werke des 16. und 17. Jahrhunderts enthielt. .
Moritz Fürstenau (1824-1889), der als Soloflötist der Hofkapelle nebenamtlich die Königliche Privat-Musiksammlung (die umfangreiche Notenbibliothek der musikliebenden Herrscherfamilie) betreute, forderte eine Zusammenführung der in der höfischen Musikpflege wurzelnden Dresdner Musiksammlungen. Durch deren schrittweise Verwirklichung, die er selbst nicht mehr miterlebte, entwickelte sich die musikalische Abtheilung der Königlichen Öffentlichen Bibliothek zum Archiv für die gesamte überlieferte Hofmusik.
Die Königliche Privat-Musikaliensammlung, der 1867 der Kapellarchiv-Schrank II aus der Katholischen Hofkirche mit der Instrumentalmusik des 18. Jahrhunderts und 1884 der durch seine Dittersdorf-Autographe bedeutsame Musikanteil der (als Erbschaft an das Haus Wettin gelangten) Braunschweig-Oelser Schloßbibliothek eingegliedert worden war, wurde 1896 in die Königliche Öffentliche Bibliothek überführt, zusammen mit dem literarisch-musikalischen Nachlass der Prinzessin Amalia (1794-1870). 1908 folgte auf Depositumbasis ein bedeutender Teil des älteren Repertoires der Katholischen Hofkirche. Etwa 1930 gelangten die ersten Partituren aus dem Archiv der Staatsoper (der früheren Hofoper) in die nunmehrige Sächsische Landesbibliothek.
In den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts waren aufgrund von Bestrebungen, alte Musikquellen vor dem drohenden Verfall zu retten, zahlreiche Musikalien des 16. und 17. Jahrhunderts aus sächsischen Kirchen-, Schul- und Ratsbibliotheken als Dauerleihgaben in die Bibliothek gekommen.
Die genannten historischen Bestände - eine Quellenbasis von seltener Güte und Geschlossenheit - wurden zunehmend durch wichtige Neuerscheinungen und antiquarische Käufe ergänzt. 1937 besaß die Musikabteilung allein an Noten 44.000 Bde (um 1900 waren es noch 13.000 gewesen).
Das Bibliotheksgebäude (Japanisches Palais) wurde im zweiten Weltkrieg (2. März 1945) erheblich beschädigt, wobei fast alle Notendrucke des 19. und 20. Jahrhunderts, die Nachlässe im 20. Jahrhundert verstorbener Komponisten und das Gros der Musikbücher und Zeitschriften verbrannten. Die eigentliche Quellensammlung entging zwar der Feuerkatastrophe, doch kehrte ein Teil der Bestände von der Auslagerung nicht zurück, z. B. Stimmenkonvolute aus der Katholischen Hofkirche, die heute in Moskau vermutet werden. Die in den Tiefkellern untergebrachten Zimelien wurden durch eindringendes Grundwasser teilweise irreparabel beschädigt.
Der mühsame Neubeginn nach dem Krieg hatte neben der Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit vor allem den Aufbau einer Sammlung von neueren Musica practica und aktueller musikwissenschaftlicher Literatur zum Ziel. Im Quellensektor ist einerseits die Erwerbungstradition der Vorkriegszeit fortgeführt worden, z. B. mit der Übernahme von Dresdner Musikarchivalien (weitere Noten der Hofkapelle; Büchersammlung und ältere Musikalien des Tonkünstlervereins; Notenaltbestand des Königlichen Konservatoriums) sowie von Beständen aus dem sächsisch-thüringischen Raum (Sammlung des Zittauer Kaufmanns August Christian Exner, 1771-1847; neuere Musikalien der Fürstenschule Grimma, u. a. mit der Sammlung des Schulkantors Samuel Jacobi, *1652, amt. 1680-1721; vom Landeskirchenamt Eisenach erworbene Reste kleiner Kantoreiarchive). Andererseits wurden neue Wege beschritten, etwa durch den gezielten Ankauf von Autographen profilierter ostdeutscher Komponisten.
• Zuständig: RISM-Arbeitsstelle Dresden.
• Website: SLUB Dresden
Literatur (Auswahl)
Ortrun Landmann: Über das Musikerbe der Sächsischen Staatskapelle. Drei Studien zur Geschichte der Dresdner Hofkapelle und Hofoper anhand ihrer Quellenüberlieferung in der SLUB Dresden, Dresden 2. Ausgabe 2010 (elektronischer Volltext: urn:nbn:de:bsz:14-qucosa-38-515)
Andrea Hartmann/Carmen Rosenthal: Die musikalischen Blätter aus dem Schumann-Album in der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) : Thematischer Katalog, München/Frankfurt 2010 (elektronischer Volltext: urn:nbn:de:bsz:14-qucosa-61887)
Andrea Hartmann: Katalog der Musikhandschriften der Fürstenschule Grimma, Dresden 2009 (elektronischer Volltext: nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:14-qucosa-24844)
Ortrun Landmann: Das Dresdner Opernarchiv in der Sächsischen Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, München 2002
Ortrun Landmann: Katalog der Dresdener Hasse-Musikhandschriften, hrsg. von der RISM-Arbeitsgruppe Deutschland e.V., München 1999
Wolfram Steude: Die Musik-Sammelhandschriften des 16. und 17. Jahrhunderts in der Sächsischen Landesbibliothek zu Dresden, Leipzig 1974
(K. W. Geck, leicht gekürzte Fassung aus dem „Handbuch der historischen Buchbestände“).