Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Bibliothek (D-Ngm)
Das Germanische Nationalmuseum (GNM) besitzt neben einer stattlichen Anzahl historischer Musikdrucke, die im RISM nachgewiesen sind, eine Sammlung von Musikhandschriften, die durch ihre große inhaltliche Bandbreite charakterisiert wird. Das Spektrum reicht vom spätmittelalterlichen Graduale und den Chorbüchern von Friedrich Lindner aus Sankt Egidien bis zu Autographen von Richard Wagner und Franz Liszt und Männerchor-Sammlungen des 19. Jahrhunderts. 1988 erstellte Clytus Gottwald einen gedruckten Bestandskatalog der Musikhandschriften, der jedoch nur in Ausnahmefällen Incipits beinhaltet und nicht sämtliche Musikstücke einzeln aufführt.
Der Schwerpunkt kirchenmusikalischer Handschriften in der Sammlung des GNM liegt auf Werken aus Renaissance und Barock. Eine Ausnahme bildet das großformatige oberrheinische Graduale, um 1300 datiert, das vor allem aufgrund seiner Illuminationen herausragt.
Von besonderer Bedeutung sind die sechs Chorbücher aus St. Egidien von dem Nürnberger Kantor und Verleger Friedrich Lindner (um 1542-1597). Von seinen berühmten Chorbüchern haben sich insgesamt 22 erhalten. Die sechs Bände im Bestand des GNM wurden wissenschaftlich noch nicht erschlossen. Dabei handelt es sich um wichtige Zeugnisse für die Verbreitung des italienischen katholischen Kirchenmusikrepertoires im reformatorisch geprägten mitteldeutschen Raum. Zwei Bände aus der Staatlichen Bibliothek Ansbach sind bereits digitalisiert; die 11 im Landeskirchlichen Archiv in Nürnberg befindlichen Bände sind in Arbeit. Außerdem sind einige Bücher mit Motetten, Messen und Magnifikat aus dem 16. und 17. Jahrhundert in der Sammlung enthalten.
Einen zweiten Schwerpunkt der Musikalien im GNM bilden Zeugnisse weltlicher Musik. Die Bestandsgruppe der handschriftlichen Tabulaturbücher bietet Quellenmaterial für das Spiel von Laute, Orgel, Cembalo, Klavier und sogar Viola im 17. und 18. Jahrhundert und gehört neben den Chorbüchern zu den ungehobenen Schätzen der Bibliothek. Besonders hervorzuheben sind sieben Bände mit Tabulaturen aus dem Archiv der Grafen von Wolkenstein-Rodenegg (Hs 33748 II-VIII), darunter Autographe des italienischen Lautenisten und Komponisten Lorenzo Allegri (1567-1648).
Darüber hinaus sind mehrere Sammlungen von Liedern und Arien des 18. und 19. Jahrhunderts im Bestand der Musikhandschriften enthalten. Dazu gehört das Brautlied des Komponisten Leonhard Lechner aus seiner Nürnberger Zeit anlässlich der Hochzeit des Rechtsanwalts Christoph Andreas Gugel mit Maria Muffel 1583, vor allem aber die Männerchor-Sammlungen des 19. Jahrhunderts, die als Quellen zum Wandel des Musikrepertoires im Verlauf des 19. Jahrhunderts unter anderem einen wachsenden Patriotismus und Nationalismus im Bereich des Musikbrauchtums dokumentieren.
Eine dritte Sektion bilden Autographe. Richard Wagners Meistersinger-Partitur gehört ebenso zu diesem Bestand wie Albert Lortzings Hans Sachs-Partitur und sieben Autographe von Franz Liszt, ferner zwei Partituren von Louis Spohr, ein Liederzyklus von Peter Cornelius und eine Sonate von Johann Sebastian Bach.
Hinzu kommen zwei Komponistennachlässe, die bisher nur kursorisch katalogisiert bzw. gänzlich unerschlossen sind. Dabei handelt es sich um die Nachlässe von Karl Rorich (1869-1941), der als Musikdirektor in Weimar und Nürnberg tätig war und August Scharrer (1866-1936), Kapellmeister in Karlsruhe und Regensburg und Dirigent u.a. der Berliner Philharmoniker. Seine Oper „Die Erlösung“ (1895 in Straßburg gedruckt) und die Symphonie „Per Aspera ad Astra“ (ca. 1909-1913 in Leipzig gedruckt) erlebten seinerzeit vielbeachtete Aufführungen. Scharrer war u.a. mit Brahms, Bruckner, von Bülow und Richard Strauß bekannt. Sein Schaffen wird in dem Nürnberger Nachlass fast vollständig dokumentiert.
• Zuständig: RISM-Arbeitsstelle München
• Website: Germanisches Nationalmuseum Nürnberg
Literatur:
Clytus Gottwald: Die Musikhandschriften, Wiesbaden 1988 (Die Handschriften des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg, Bd. 4)
(Christiane Lauterbach, Nürnberg, März 2019)