Répertoire International des Sources Musicales

Arbeitsgruppe Deutschland e.V.

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Ein hochinteressanter Bestand

Wednesday, June 8, 2016

Der Notenbestand aus Spitz a. d. Donau liegt im Archiv des Benediktinerklosters Niederaltaich. Dieser Umstand hat seine historische Bewandtnis, liegt doch Spitz in Österreich und Niederaltaich in Deutschland. Das im Jahre 741 gegründete Kloster Niederaltaich weitete im Zuge der Herrschaft der Karolinger seinen Einflussbereich entlang der Donau bis in die Wachau aus. In einem Schreiben vom 6. Oktober 830 Ludwigs des Deutschen wird die Schenkung des Gebiets um Spitz an das Kloster bestätigt. Diese Propstei Spitz war dann bis zur Säkularisation im Jahr 1803 im Besitz des Klosters Niederaltaich. Zur näheren Betrachtung siehe Erich Schöner in seiner „Geschichte des Marktes Spitz a. d. Donau“ in 2 Bänden aus dem Jahr 1979. Das Kloster Niederaltaich wurde erst 1918 wiederbegründet.

Der Bestand besteht zum größeren Teil aus Handschriften, ein kleinerer Teil sind Drucke. Die Drucke sind in der Mehrzahl später als die Handschriften zu datieren. In früheren Zeiten wurden eher Drucke (oder andere Handschriften) kopiert, was unmittelbar mit den Kosten für Drucke zusammenhing, die in älteren Zeiten verhältnismäßig hoch waren oder umgekehrt gesagt der Kopist relativ günstig war. Zur vollständigen  Darstellung des Bestands wurden sowohl die Handschriften als auch Drucke in einem Katalog zusammengefasst, was die Überschaubarkeit des Bestands erleichtert.

Von den 630 RISM-Titelaufnahmen sind 562 Handschriften und 68 Drucke. Die ältesten Handschriften entstanden stammen aus dem letzten Viertel des 18. Jahrhunderts. Bei der Neukatalogisierung wurden alle Noten, also sowohl Handschriften als auch Drucke aufgenommen, damit der Bestand geschlossen überschaubar ist.

Einige Einzelheiten verdienen, ob ihrer Besonderheit, eigens der Erwähnung. In erster Linie betrifft es Handschriften von Michael Haydn, die hauptsächlich aus dem Musikalienkatalog des Stifts Göttweig (dort unter no.1207, 1221 und 2239) bekannt sind. Dabei ist das „Cantate Domino“ [Werkverzeichnisnummer bei Charles H. Sherman (Stuyvesant 1993] MH 97, in Spitz unter NA/SP (H-32) geführt ein absolutes Unicum (RISM ID no. 455039951). Von dem 2. Teil des „Civitatem. Festina lente“ MH 47 auf einen anderen Text „Ut tibi dulces fuerunt lapides“, (NA/SP (H-60) RISM ID no. 455039981) gibt es nur eine weitere Kopie in Ungarn. Diese einzigartigen Handschriften teilen sich ihr Dasein im Spitzer Bestand mit nicht minder interessanten Werken, die angeblich von Michael Haydn stammen, wie ein „Regina caeli“ in C, NA/SP (72) im Spitzer Bestand unter MH 128 bei Sherman in D-Dur verzeichnet, welches aber wohl aufgrund zahlreiche Konkordanzen von Joseph Krottendorfer (1741-1798) stammt, sowie unter NA/SP (H-52) in Spitz einem Haydn zugeschriebenen Graduale „Inveni David“, welches von Johann Georg Albrechtsberger komponiert wurde.

Daneben gibt es aber auch Werke, die noch in der Anonymität verharren, was den Komponisten betrifft, musikalisch aber dennoch interessant erscheinen. Untersuchenswert erscheint unter NA/SP (A-44), RISM ID no. 455039755; eine Passionskantate, deren Texte teilweise von Barthold Heinrich Brockes entlehnt oder aus Bachs Johannes-Passion entnommen sind, die von einem noch anonymen Komponisten stammt.

In zahlreichen älteren Mappen sind Aufführungsdaten eingetragen. Sie dokumentieren eine intensive Nutzung des Notenmaterials. Einen direkten Rückschluss auf die Entstehung des Notenmaterials lassen sie jedoch nur bedingt zu, als terminus ante quem, da viele Manuskripte mit Sicherheit wesentlich früher geschrieben wurden. Die Aufführungsangaben ziehen sich von 1828 [NA/SP (S-55) bis 1911 [NA/SP (H-18) und (H-88)].

Insgesamt zeigt der Bestand eine Geschlossenheit, wie sie selten zutage tritt. Er dürfte etwa um ein Viertel größer gewesen sein als jetzt, was man anhand der nicht zuzuordnenden Einzelblätter schätzen kann, man gewinnt aber dennoch von der damaligen Musizierpraxis einen genauen Einblick. Zur Vertiefung der Kenntnisse sind noch Einzelforschungen zu Schreibern, oder überhaupt biographische Forschungen im Umkreis der Pfarre Spitz zu tätigen, besonders was die Lehrer betrifft, die oft das musikalische Amt mit übernahmen. Die Nachweise zu den Stücken die nur im Göttweiger Katalog verzeichnet sind machen diese Handschriften aus Spitz zu einer besonderen Rarität und die Beziehungen zum kaum mehr als 20 km entfernten Stift Göttweig ist offensichtlich, bedarf aber ebenfalls weiterer Erforschung.

 Juni 2016, Gottfried HEINZ-KRONBERGER

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Kategorie: Bibliotheksbestände


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