Répertoire International des Sources Musicales

Arbeitsgruppe Deutschland e.V.

Arbeitsgruppe Deutschland e.V.

Die ostdeutsche RISM Arbeitsgruppe Deutschland feiert 70jähriges Jubiläum

Friday, November 14, 2025

70 Jahre ostdeutsche Arbeitsgruppe des Répertoire International des Sources Musicales (Internationales Quellenlexikon der Musik), kurz RISM – das bedeutet ein Rückblick auf internationale Verständigung nach dem II. Weltkrieg, auf deutsch-deutsche Zusammenarbeit und Wiedervereinigung und nicht zuletzt auf 70 Jahre technische Entwicklung.

Gegründet wurde RISM nach dem II. Weltkrieg, als man vor den Trümmern des Kriegsgeschehens stand: Es waren auch zahlreiche Musikquellen verloren gegangen. So war eines der Ziele eine einfache Bestandsaufnahme und Sicherung, aber vor allem wollte man Quellen zur Musik systematisch erschließen, und zwar mit internationalem Anspruch. In Deutschland konnten durch öffentliche Förderung, zuletzt als Langzeitprojekt der Akademie der Wissenschaften und Literatur in Mainz zwei Arbeitsstellen mit Personal besetzt werden. Dass es bis heute zwei Arbeitsstellen gibt, geht zurück auf die deutsche Teilung; die Arbeitsstellen in München und Dresden wurden 1991 unter einem Dach zusammengefasst.

Die Geschichte der ostdeutschen RISM-Arbeitsstelle begann 1955 vor dem Hintergrund der politischen Teilung Deutschlands. Ursprünglich wollte die Münchner RISM-Gruppe auch Musikquellen aus der DDR erfassen, doch das Ministerium für Kultur der DDR verweigerte die Zusammenarbeit – aus Gründen der staatlichen Souveränität. Stattdessen entstand in Berlin eine eigene Arbeitsgruppe, die unter der Schirmherrschaft der Deutschen Staatsbibliothek die Erschließung der Musikquellen im Osten übernahm. In den folgenden Jahrzehnten entwickelte sich daraus eine feste Forschungsstelle, die eng mit der mit der Humboldt-Universität und später mit der Berliner Musikabteilung verbunden war. 1984 schließlich wechselte die Zuständigkeit an die Sächsische Landesbibliothek in Dresden, womit die RISM-Arbeit in der DDR eine neue institutionelle Heimat fand.

Trotz der politischen Spannungen des Kalten Krieges blieb die Zusammenarbeit zwischen den west- und ostdeutschen RISM-Arbeitsgruppen bemerkenswert konstruktiv. Bereits im Dezember 1955 trafen sich Mitarbeiter:innen beider Seiten in Berlin zu einer ersten Besprechung, bei der die Münchner Gruppe ihre bisherigen Ergebnisse großzügig mit der neu gegründeten DDR-Arbeitsstelle teilte. Man einigte sich darauf, die Arbeiten an den Sammeldrucken zentral in München zusammenzuführen und von dort an die Pariser RISM-Zentrale zu melden – ein Zeichen wissenschaftlicher Kooperation über politische Grenzen hinweg. Auch in den folgenden Jahrzehnten tauschten beide Seiten regelmäßig Daten und Kopien aus. Offiziell musste jedoch stets den politischen Realitäten Rechnung getragen werden: Veröffentlichungen sprachen von Arbeitsgruppen in der BRD und der „SBZ“, und ab 1971 erhielten die Kataloge getrennte Ländersiglen. Dennoch blieb die wissenschaftliche Zusammenarbeit lebendig – ein Beispiel dafür, wie Fachgemeinschaft und Forschung selbst in Zeiten der Teilung Brücken bauen konnten.

Andrea Hartmann, Mitarbeiterin der RISM-Arbeitsstelle Dresden, im Unitätsarchiv der Evangelischen Brüder-Unität in Herrnhut, wo sie ab 1994 die Musikalien für RISM erschlossen hat.

Da Quellen nicht nur aus großen Musiksammlungen von zentralen Bibliotheken, sondern vor allem auch aus kleinen Institutionen wie Kirchenarchiven aufgenommen wurden, brachte die Arbeit zunächst einige logistische Anforderungen mit sich. In den ersten Jahrzehnten reisten die Katalogisierer selbst in die Institutionen, auch in die entlegensten Orte, um vor Ort die Quellen sichten zu können. Katalogisiert wurde zunächst von Hand, Computersysteme gab es damals noch nicht. Die Titelaufnahmen wurden handschriftlich auf Karteikarten notiert und in Berlin durch eine Schreibkraft mit Schreibmaschine abgeschrieben und als Durchschläge weiterverteilt.

Der technische Fortschritt veränderte die jahrzehntelange Arbeit kontinuierlich: Erfolgte nach 1980 eine Zusammenführung der Daten in ein Computersystem zunächst nur zentral, konnten bald auch die Arbeitsstellen auf Computerarbeit umstellen. Nachdem die ersten Kataloge in Buchform veröffentlicht worden waren, schlossen sich nun CD-ROM-Publikationen an. 2009 konnte schließlich der Online-Katalog frei geschaltet werden, der nicht nur eine direkte kooperative Zusammenarbeit aller Arbeitsstellen ermöglicht, sondern auch den Nutzern einen freien und kostenlosen Zugang zu den Daten erlaubt.

Heutige Entwicklungen mit Text- und Musikerkennung sowie vor allem den Möglichkeiten von KI erfordern einen neuen Blick auf die Katalogisierung in RISM. Daher veranstaltete die deutsche RISM-Arbeitsgruppe am 13. und 14. November 2025 in der SLUB Dresden eine Tagung zum Thema „Musikdrucke im digitalen Wandel: Perspektiven ihrer Dokumentation, Repräsentation und Vernetzung“.

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Kategorie: Eigendarstellung


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